Die Eisenbahn in Irrel

Zusammengestellt von Markus Schiffer

Bevor Irrel Anschluss an die Eisenbahn erhalten sollte, brauchte es Jahrzehnte der Diskussion und Planung. Schließlich begannen die Arbeiten an der Nims-/Sauertalbahn im Sommer 1907. Der Bahnanschluss Irrels verzögerte sich jedoch angesichts zahlreich erforderlicher Kunstbauten. Hierzu gehörten:

  • der 430 m lange Katzenkopftunnel zwischen Irrel und Niederweis,
  • die Nimstalbrücke,
  • die innerörtliche Brücke über die Niederweiser Straße, 
  •  das Viadukt an der Irreler Mühle, 
  • das Viadukt bei Menningen.

Auch mussten erhebliche Erdmassen für den Bahndamm und das Bahnhofsgelände aufgeschüttet werden. Dies führte dazu, dass der Reisende zwar bereits 1910 von Erdorf bis Niederweis fahren konnte; Irrel war jedoch erst 1912 mit der Eisenbahn aus Richtung Bitburg erreichbar. Die Eröffnung des Bahnhofs erfolgte mit einem für die Kaiserzeit typischen großen Festakt am 30.06.1912 im Beisein zahlreicher Honoratioren .

Das damalige Bahnhofsgebäude hob sich – wie das heutige – augenfällig von den sonstigen Bahnbauten an der Nims-/Sauertalbahn ab. Grundsätzlich baute man nämlich die Bahnhöfe nach preußischen Einheitsplänen, heute noch erkennbar an den bis auf örtliche Nuancen gleich geplanten und errichteten Gebäuden. In Irrel hatte man demgegenüber ein schmuckes, fast würfelförmiges Fachwerkgebäude mit Verbindungsbau zu einem angeschlossenen Güterschuppen errichtet. Etwas abseits stand ein passendes „Abort-Häuschen“. Weshalb hier im Gegensatz zu allen anderen, an der Strecke gelegenen Bahngebäuden dieser einfachere, aber auffälligere Stil gewählt wurde, ist leider nicht bekannt.

Die eisenbahntechnische Anbindung Irrels an die Sauergemeinden bis Igel/Trier wurde erst am 15.10.1915 vollendet. Sicher sind diese Verzögerungen nicht nur auf die erwähnten aufwendigen Kunstbauten zurückzuführen, sondern auch auf den am 01.08.1914 ausgebrochenen Ersten Weltkrieg. Die Tatsache, dass die Verbindung nach Bitburg/Erdorf erheblich vor der Verbindung nach Igel/Trier fertiggestellt wurde, lässt auch vermuten, dass die Verkehrsströme jener Zeit eher nach Bitburg denn nach Trier orientiert waren.

Nach dem Ersten Weltkrieg erholte sich die Region zunächst nicht. Bevölkerung und Eisenbahn litten unter der französisch-belgischen Besatzung . Nicht nur die Irreler Strecke wurde den französischen Militärs unterstellt als Folge von Versailler Vertrag (28.06.1919) und Rheinlandabkommen. Die Eisenbahner mussten schließlich auf Befehl der Reichsregierung ab dem 17.10.1923 Dienst unter der französisch-belgischen Eisenbahnregie machen; in dieser Zeit bis zum 15.11.1924, dem Ende der Besatzungszeit, litten insbesondere die Eisenbahner unter den Repressalien der „neuen Herren“. Die Eisenbahner begegneten dem jedoch mit bewusstem Dienst nach Vorschrift und bisweilen auch offenem Ungehorsam.

Bis ca. 1927/1928 wurde die Irreler Strecke signaltechnisch wie eine Hauptbahn betrieben, erkennbar beispielsweise an einem an der Irreler Mühle betriebenen zweiflügeligen Einfahrsignal . Zur Kostendämpfung wurde dann ein „vereinfachter Nebenbahnbetrieb“ eingeführt, der auf unterhaltungsintensive Betriebs- und Sicherungseinrichtungen verzichtete. Gleichsam wurde auch der Abfertigungsdienst für Personen und Güter an der Strecke vereinfacht. Die bis dahin als Bahnhöfe IV. Klasse eingestuften Stationen wurden – mit Ausnahme Bitburgs, Irrels und Igels – zu Agenturen. Dort war „angelerntes“, nicht beamtetes Personal zu bestimmten Kernzeiten für die Abfertigung zuständig. Dem Irreler Bahnhof kam dabei die führende Rolle einer „Mutterstation“ zu. Sein beamtetes Personal musste alle bei ihr in den Zügen durchlaufenden Sendungen von, zwischen und nach Agenturen in Bezug auf richtige Abfertigung usw. prüfen und notfalls berichtigen, wozu Irrel wegen seiner Lage inmitten der Strecke besonders gut geeignet war .

Langsam erholte sich die Eisenbahn um Irrel nach Erstem Weltkrieg und Wirtschaftskrise wieder. Erneut zeigte sich dabei die militärische Bedeutung der Bahn und des Irreler Bahnhofs, nachdem die damaligen „braunen“ Machthaber begannen, den Westwall zu planen und zu errichten; Transport von Material und Personal wurden mit Hilfe der Eisenbahn erledigt. Hierbei kamen die vergleichsweise umfangreichen Gleis- und Ladeanlagen des Irreler Bahnhofs sehr gelegen. Nach Erzählungen von Zeitzeugen sollen auch prominente Politiker jener Zeit zur Besichtigung des Baufortschrittes des Westwalles mit dem Zug in Irrel angereist sein. Bild- oder Zeitungsbelege fehlen uns jedoch noch.

Im Rahmen der Errichtung des Panzerwerks Katzenkopf wurde auch eine Verbindung in den Irreler Tunnel geschaffen. Welchen Zweck diese Verbindung hatte, konnte bislang jedoch nicht eindeutig geklärt werden. Zum Teil wird vermutet, dass es lediglich ein Belüftungsschacht war, zum Teil wird angenommen, dass der Schacht zur verdeckten Materialversorgung des Bunkers bzw. dem Truppentransport in und aus dem Bunker diente.
Aufgrund der außergewöhnlichen Feuchtigkeit im Tunnel erforderte die Gleisanlage einen besonderen Aufbau, den sogenannten „Russischen Oberbau“. Dieser Gleisbettaufbau war in Deutschland relativ selten. Die Feuchtigkeit im Tunnel führte dazu, dass manche Lokomotive in Fahrtrichtung Bitburg im Tunnel ins Schleudern kam und die leichte Streckensteigung nicht schaffte. Dann wurde in den Irreler Bahnhof zurückgekehrt und zur Gewichtsentlastung ein Waggon dort zurückgelassen.

Der Sommerfahrplan 1939, gültig vom 15.05. bis 07.10., weist täglich fünf Zugpaare Richtung Bitburg bzw. Richtung Trier aus. Die Fahrzeiten orientieren sich scheinbar überwiegend am Berufsverkehr. Durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 01.09.1939 dürfte auch der Eisenbahnverkehr von und nach Irrel nicht immer fahrplanmäßig gelaufen sein. Spätestens mit Beginn der Rundstedt-Offensive am 06.12.1944 ist wohl der Eisenbahnverkehr auf der Nims-/Sauertalbahn gänzlich zum Erliegen gekommen, da nahezu sämtliche Lokomotiven aus dem Bw Trier ins Landesinnere in Sicherheit gebracht wurden .

Die sich im Frühjahr 1945 zurückziehenden Deutschen Truppen haben die Brückenbauwerke rund um Irrel gesprengt.

Nach dem Krieg wurden die Gleisanlagen rasch wieder aufgebaut, so dass die Strecke von Bitburg bis Niederweis schon seit 17.12.1949 wieder befahrbar war, die Strecke von Igel bis Edingen seit 14.09.1950.

Der Wiederaufbau der zerstörten Brückenbauwerke erforderte jedoch erheblich mehr Zeit, so dass der Anschluss Irrels erst im Frühjahr 1952 feierlich eröffnet werden konnte. Bis dahin weist der amtliche Fahrplan eine Busanbindung Irrels aus.

Nach einer mündlichen Überlieferung soll zeitweise der Rangierdienst mit Hilfe eines Pferdes erfüllt worden sein.

Das heute noch bekannte Bahnhofsgebäude ist im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt worden. Fotodokumente lassen vermuten, dass das Gebäude bereits mindestens in den 30er Jahren in dieser Form bestand. Ob das ursprüngliche Gebäude im Ersten Weltkrieg zerstört wurde oder in den 1920er Jahren aus anderen Gründen neu aufgebaut wurde, ist nicht bekannt.

Bis in die 1950er Jahre gab es noch zwei Wasserkräne zur Dampflokversorgung sowie ein Lademaß nebst Gleiswaage am Güterladegleis. An der Laderampe war ein 2,5-to-Kran montiert.

Die französischen Streitkräfte haben bis 1988 unmittelbar zwischen Bahnhof und Irreler Mühle ein mit Soldaten und Hunden gesichertes Tanklager unterhalten. Es diente der strategischen Treibstoffversorgung der alliierten französischen Streitkräfte, später der NATO im „Kalten Krieg“. Erreichbar war dieses über einen Anschluss an Gleis 6 des Bahnhofs. Innerhalb des Tanklagers teilte sich der eingleisige Anschluss, in den eigentlichen Tankgleisanschluss und ein Umfahrgleis, die am Ende wieder zusammen führten. Beide Stränge wiesen eine Nutzlänge von jeweils 120 m auf; sie mündeten in ein Ausziehgleis von 40 m Nutzlänge.

Entsprechend einer Vereinbarung zwischen Deutscher Bundesbahn und französischem Militär vom 05.02.1952 hatte die ED Trier den eisenbahntechnischen Teil des Tanklagers zu errichten; die DB erhielt hierfür eine Pauschale von 65.000,-- DM. Die Anlage dürfte demnach ca. Mitte 1952 in Betrieb genommen worden sein. Bis zum 30.03.1956 war die DB für die eisenbahntechnische Unterhaltung des Tanklagers zuständig; erst seit dem 01.04.1956 ging die Verantwortlichkeit auf das französische Militär über.

Der Treibstoffwagenverschub soll mit einer eigenen Diesellok der Militärs erfolgt sein . Damit erklärt sich auch das 6 m vor dem Einfahrtstor zur Militäranlage aufgestellte Signal RA 10 und dem Hinweis „Halt für DB-Lok“ auf dem Signalanlagenplan des Bahnhofs. Leider ist bis jetzt nicht bekannt, welche Fahrzeuge vom Militär eingesetzt und wie diese in den DB-Fahrplan eingebunden wurden.

Der zunehmenden Konkurrenz des Autos wurde ab Oktober ´52 durch den Einsatz von Schienenbussen (Vt 95/Vb 95) begegnet . Doch auch dieses kostengünstige Triebfahrzeug hielt dem Wettbewerb zum Individualverkehr nicht stand, so dass Mitte der 60er Jahre Überlegung zur Einstellung des Personenverkehrs und Schließung des Irreler Bahnhofs aufkamen. Trotz Widerstands in der Gemeinde wurde der Personenverkehr von Igel nach Irrel am 29.09.1968 sowie von Bitburg nach Irrel am 27.09.1969 eingestellt. In den 80er Jahren gab es noch einige Nostalgiefahrten, ehe auch der Güterverkehr am 25.09.1988 eingestellt wurde. Bis dahin galt Edingen als Anschlussstelle Irrel.

Der Rückbau der Strecke erfolgte bis 1997. Heute beherbergt der Bahnhof eine beliebte Gasstätte, der Güterschuppen ist längst einer modernen Halle eines Getränkehandels gewichen. Ein Teil der Trasse wird heute als Radweg genutzt; die meisten Kunstbauten warten auf ihren Abriss oder sind bereits beseitigt. So bleibt nur die Erinnerung an die Eisenbahn in Irrel.....